Sonntag, 18. Februar 2018

Offener Brief an Prof. Dr. Hugo Portisch


Sehr verehrter Herr Professor Portisch,

nein, hier muß ich bereits zögern ... denn mit dem heutigen Kurier-Interview haben Sie für mich einen Ihrem Alter und Ihrer Position gern zugestandenen Anspruch auf "Verehrtheit" endgültig verwirkt — belassen wir es daher besser bei der standardisierten Anredefloskel

Sehr geehrter Herr Professor Portisch!

Im heutigen Kurier findet sich auf  der Titelseite der Aufmacher »Hugo Portisch ist empört über den Umgang der FPÖ mit den Medien«, wobei das Interview auf Seiten 4-5 mit der doppelseitigen Überschrift »Portisch: Das ist eine politische Bedrohung« versehen ist.

Als langjährigem Journalisten, der noch dazu jahrelang der Kurier-Redaktion als Chefredakteur vorstand, kann ich Ihnen — und dem Kurier — nicht unterstellen, Aufmacher und Schlagzeile nicht beiderseits gewußt und gebilligt zu haben. Sie wollen also mit diesem Interview ganz bewußt die FPÖ als »politische Bedrohung« für Österreich — oder gar für die derzeitige EU (die Sie nonchalant mit »Europa« gleichsetzen) — stilisieren ... ... denn anders kann es wohl nicht verstanden werden!

In der Vergangenheit legten Sie immer großen Wert darauf, keiner politischen Partei nahezustehen, gaben sich als unabhängiger, der Wahrheitsfindung verpflichteter Journalist und Schriftsteller. Diese Position, welcher Sie sicher zu erheblichem Ausmaß Ihr Ansehen bei den Österreichern verdankten, haben sie bereits im Zuge der Präsidentschaftskampagne Van der Bellens untergraben, indem Sie für diesen warben. Doch mit dem nunmehrigen Interview haben Sie auch die letzte Maske — und man muß hier für die Vergangenheit wohl von bloßer Maskierung ausgehen, angesichts der bestürzenden Einseitigkeit Ihrer Wortwahl! — von »Parteiunabhängigkeit« fallen lassen. Hier drängen sich dem unbefangenen Leser einige Fragen auf:

Wo war eigentlich Ihre öffentlich geäußerte Empörung, als erst vor wenigen Tagen ruchbar (und vom ORF schließlich unter dem Druck der Öffentlichkeit eingestanden) wurde, daß in der aktuellen Berichterstattung ein Beitrag sinnstörend gekürzt worden war, der dadurch den Eindruck erwecken mußte, die Tiroler FPÖ und ihr Spitzenkandidat sei mit den antisemitischen Entgleisungen eines Besuchers einer Wahlveranstaltung einverstanden?

Wo war Ihre Empörung über die Dreistigkeit, mit der nicht nur der ORF, sondern auch zahlreiche Printmedien zwar über eine angebliche (und bis heute nicht einmal zum Status polizeilicher oder staatsanwaltlicher Vorerhebungen führende, geschweige denn nachgewiesene!) »Verstrickung« des FPÖ-Spitzenkandidaten in eine Affaire um ein Gesangsbuch einer Burschenschaft in Ausführlichkeit berichteten, doch  leider, leider bis nach der Wahl zu erwähnen »vergaßen«, daß der im Impressum namentlich genannte llustrator dieses Liederbuches ein bekannter SPÖ-Mann war. Denn sonst wäre die Empörungsinszenierung gegen einen FPÖ-Kandidaten, der zu erfolgreich zu werden drohte, wohl in sich zusammengebrochen. Nochmals meine Frage: wo war Ihre Empörung über diesen flagranten (und, wie man feststellen muß: leider erfolgreichen!) Versuch der Medien, durch gezielte Information und Nicht-Information Wahlen zu beeinflussen? Oder sehen Sie darin keine »politische Bedrohung«, sofern dadurch die Interessen der von ihnen offenbar präferierten Partei(en) gefördert werden?

Wo blieb Ihr geharnischter Protest gegen die Versuche der SPÖ, durch dirty campaining letztklassiger Sorte (gefakete Websites, Falschmeldungen etc.) die sich für sie doch eher ungünstig anlassende Wahlkampagne zur Nationalratswahl 2017 »umzudrehen«? Oder sehen Sie das etwa nicht als eine Bedrohung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an? Was, wenn ich fragen darf, geruhen Sie dann als Bedrohung anzusehen? Etwa nur ein Facebook-Posting Straches am Faschingdienstag? Wirklich, so ganz im Ernst?

Befremdlich ist auch Ihre etwas seltsame Definition, was unter dem Begriff der »Systemmedien« zu verstehen sei. Auf die Frage des »Kurier« (»Die FPÖ spricht auch immer von Systemmedien. Was versteht man darunter?«) definieren Sie wie folgt:
Systemmedien sind ein Schimpfwort geworden. Ist mit System die Demokratie gemeint, dann wäre der Begriff ein Skandal. Wenn die Medien der Demokratie Systemmedien sind, dann ist es ein Schimpfwort.
Sie wissen ebenso wie jeder historisch Gebildete, daß der Begriff  in den 1920er-Jahren (damals noch »Systempresse« — denn die elektronischen Massenmedien spielten noch kaum eine Rolle) als Bezeichnung der die damalige Meinung maßgeblich prägende Presselandschaft, die den Parteien der sogenannten »Weimarer Koalition« nahestand, gebraucht wurde. Heute meint »Systemmedien« hingegen jene »Mainstream-Medien«, die durch informelle Sanktionen eines peer review weitgehend gleichgeschaltet agierend, Meldungen filtern und Meinungen steuern. 

Das jedoch für demokratiergefährdend zu halten, ist keineswegs »ein Skandal«, wie Sie insinuieren wollen — ganz im Gegenteil! Oder wollen Sie mir wirklich erzählen, daß Sie die österreichische Realverfassung, die de facto die geschriebene demokratische Bundesverfassung längst durch die Herrschaft von Parteisekretariaten und Korruptionsnetzwerken aller Art (politischer, wirtschaftlicher und nicht zuletzt medialer!) zersetzt hat, noch für »demokratisch« halten? Sorry — dann wären Sie entweder grenzenlos dumm oder grenzenlos naiv, und für beides halte ich gerade Sie nicht! Was also sind Ihre Beweggründe, hier zulasten einer Partei, die bei den letzten Nationalratswahlen immerhin mehr als ein Viertel der Wählerstimmen bekommen hat (und damit nur ganz knapp hinter der SPÖ liegt), als vorgeblich »parteiunabhängiger Journalist« offen die Abwahl der FPÖ zu propagieren. Darf ich Sie da wörtlich zitieren?
Das müßte man dann den Wählern sagen, ihr gefährdet eure Freiheit und eure Demokratie, wenn ihr solche Parteien weiter unterstützt.
Sind das wirklich Worte eines »parteiunabhängigen Journalisten«? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten! 

Muß ich Sie ernstlich darauf hinweisen, daß die von Ihnen geleugnete parteipolitische Schlagseite des ORF und der meisten Printmedien (verrate ich Ihnen denn wirklich eine Neuigkeit, wenn ich sage: nach Links!) keineswegs eine krude Verschwörungstheorie durchgeknaller Neo-Nazis ist, sondern von selber jahre- und jahrzehntelang in leitenden Positionen des Medienwesens tätigen Journalisten in zahlreichen Publikationen thematisiert wurde! Oder wollen Sie ernstlich die Seriosität z.B. von Dr. Unterberger bezweifeln — jahrelang Chefredakteur der »Presse« und der »Wiener Zeitung«, und derzeit Betreiber eines der einflußreichsten politischen Blogs Mitteleuropas —, der exakt diese von ihnen offenbar als inexistent betrachteten Deformierungen der Medienszene seit Jahren wieder und immer wieder seiner fundierten Kritik unterzieht? Oder einen Dr. Klaus Peter Krause, jahrzehntelang Chef der Wirtschaftsredaktion der F.A.Z.?

Und gestatten Sie mir eine gewisse Skepsis, ob auf die »Kurier«-Frage: »Warum steht gerade der ORF im Visier der FPÖ?« Ihre Antwort
Weil er eines der größten, einflußrechsten und glaubwürdigsten Medien ist.
tatsächlich ernstgemeint war. Falls doch, darf ich, Herr Professor, Ihre geneigte Aufmerksamkeit auf Websites wie z.B. »ORF-Watch« lenken, wo Sie ad nauseam die Fülle an gelenkter Information und bewußter Nicht-Information, parteipolitischer Voreingenommenheit, ja schlichten Märchen dieses nach Ihrer Darstellung angeblich »glaubwürdigsten« Mediums tagesaktuell nachlesen können? Und da sind keine Obskuranten am Werk, die das Schaffen edler, wahrheitssuchender ORF-Mitarbeiter verunglimpfen wollen, sondern »gestandene« Journalisten, denen wohl auch Sie, Herr Professor, nicht Professionalität oder Berufsethos werden absprechen wollen, wie z.B. Christian Ortner, Werner Reichel, oder der bereits erwähnte Andreas Unterberger! 

Wenn es etwas gibt, was an Ihrem langen »Kurier«-Interview dennoch begrüßenswert ist, dann die Tatsache, daß die Österreicher jetzt wissen, wo Sie stehen, und daher bei künftigen Wortmeldungen von ihrer Seite einschätzen können, welche Interessen Sie bedienen. Umso bedauerlicher ist für mein Dafürhalten, daß dieser Erkenntnisgewinn eins zu eins zulasten Ihres Ansehens als »Flaggschiff« des unabhängigen Journalismus geht. 

Ich verbleibe 

mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns

LePenseur



Das Interview findet sich hier: kurier.at/politik/inland/portisch-das-ist-eine-politische-bedrohung/311.237.047

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dr.Portisch unternimmt alles, seinen über Jahrzehnten erworbenen Ruf als unabhängiger Journalist zu untergraben. Seine Äusserungen verstärken den Eindruck dass er nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und offensichtlich die Welt nicht mehr versteht. In seinem Alter ist das nichts Besonderes.