Samstag, 2. Juli 2011

Ein Justizdebakel? Eine Sternstunde!

Manchmal fragt man sich schon, ob Journalisten wirklich so blöd und/oder fies sind, oder nur zwecks griffiger Schlagzeile so tun, als wären sie's. Wenn man freilich die Artikel dann durchliest, verstärkt sich der Verdacht: sie sind es tatsächlich ...

Im »Fall« Strauss-Kahn, der nun, soviel kann mittlerweile gefahrlos prognosiziert werden, wohl doch keiner ist (eher ein »Fall fromme Muslima«), entblödet sich beispielsweise ein SPONlein-Schmock namens Pitzke nicht, der völlig schwachsinnigen Schlagzeile »Fall Strauss-Kahn wird zum US-Justizdebakel« einen ebenso trottelhaften wie hinterfotzigen Artikel nachzuschieben.

Warum ist es ein »Justizdebakel«, wenn die Staatsanwaltschaft feststellt, daß das angebliche Opfer höchstwahrscheinlich gelogen hat, und zwar nicht nur in diesem Fall, sondern schon in früheren Verfahren — faktisch schon, seitdem sie US-amerikanischen Boden betrat, denn sie log bereits bei ihrem Asylverfahren. Daß Anzeiger bezüglich ihrer Opferrolle lügen, tja, das kommt halt vor! Es wäre in der Tat ein Justizdebakel gewesen, wenn ein Staatsanwalt trotz erheblicher Zweifel an der wahrheitsmäßigen Aussage des »Opfers« einen Prozeß angestrengt hätte, und dann in der Verhandlung damit baden gegangen wäre. Denn — und das scheint sich noch nicht bis zu den Medien herumgesprochen zu haben — Staatsanwälte sind nicht dazu da, möglichst viele Leute, gegen die ein Verdacht geäußert wird, anzuklagen, sondern vielmehr dazu, sämtlichen bekanntwerdenden Verdachts- und (!) Entlastungsmomenten nachzugehen, und eine Anklage nur dann zu erheben, wenn für die Staatsanwaltschft eine klare Aussicht auf eine gerichtliche Verurteilung des Angeklagten besteht. Eine Anklage zu erheben, obwohl die Kronzeugin nachweislich gelogen hat: das wäre ein Justizdebakel!

Aber Schmock Pitzke will damit eigentlich nur ablenken von der mehr als unrühmlichen Rolle der Journaille dies- und jenseits des Atlantik.
Zwar rühmen sich die USA des Prinzips der Unschuldsvermutung. Doch der Fall rührte an tiefe Vorurteile - gegen Reiche, gegen Ausländer, gegen Franzosen - und brachte zugleich einen unterschwelligen Klassenhass zutage, transportiert durch die hämischen Schlagzeilen gegen Strauss-Kahn.

Sie nannten ihn "pervers" und "schweinisch", erregten sich über seine teuren Anwälte und seine luxuriöse Behausung. Bei Berichten über US-Angeklagte ist so etwas selten ein Thema. "Nichts in Strauss-Kahns stratosphärischer Karriere hätte ihn darauf vorbereiten können", kritisiert James Wolcott in "Vanity Fair" die Medien.
Demnach ist das »Fall Strauss-Kahn« also wohl kein Justiz- sondern ein Mediendebakel. Denn immerhin hat sich die Journalistenmeute unisono an einer Menschenjagd betätigt, zu der sie eigentlich keinen Anlaß hatte — denn schließlich stand es bis zu den nun aufgetauchten Fakten bloß Aussage gegen Aussage. Es gab ja keinen außenstehenden Zeugen der »Vergewaltigung«, vielmehr wurde die Aussage nur einer Partei, trotz ihrer sofortigen und stets aufrechterhaltenen Bestreitung durch den Beschuldigten, zur Grundlage gehässiger Kommentare und insinuierender Mutmaßungen gemacht, welche — und das ist durch den Lauf der Ereignisse evident — Strauss-Kahn schließlich seinen Job kosteten.

Von all dem versucht Schmock Pitzke abzulenken und flicht geschickt Suggestivsätzchen ein wie z.B.
Vor US-Gerichten geht es schließlich weniger um die Wahrheit als darum, wer die glaubwürdigere Geschichte erzählt.
Tja, wer hätte das bloß gedacht! Sofern sich nämlich ein Verbrechen nicht zufällig vor den Augen und Ohren des urteilenden Gerichts abspielt (was außer im Fall falscher Zeugenaussagen wohl selten der Fall sein dürfte), ist dieses halt immer auf eine glaubwürdige »Geschichte« (im Fachjargon übrigens »Zeugenaussage« genannt, Herr Redakteur!) angewiesen. Hellseherische Gaben sind eben selten, und außerdem, da unnachprüfbar, einer gerichtlichen Beweiswürdigung nicht zugänglich ...

Auf »Zettels Raum« findet sich eine — wie gewohnt — vorzügliche Darstellung dieses »Falles«, der wohl keiner mehr werden wird. Denn im Gegensatz zu Gepflogenheiten gewisser deutscher Staatsanwaltschaften betrachtet Oberstaatsanwalt Cyrus Vance eine Anklageerhebung trotz nachweislich lügenden »Opfers« nicht als Primäraufgabe der Rechtspflege.

Schmock Pitzke schließt seinen brechreizerregenden Artikel mit einem dazu passenden Schlußsatz:
Als Strauss-Kahn Anfang Juni angeklagt wurde, demonstrierten vor dem Gericht noch Hunderte Zimmermädchen: "Schäm dich! Schäm dich!" Ihre Rufe hallten bis in den Verhandlungssaal im 13. Stock hoch. Diesmal war da kein Laut zu hören: Niemand demonstrierte mehr.
Leider. Die Demonstranten müßten freilich statt vor die Gerichtsgebäude zu den Redaktionen ziehen, wobei allerdings dem Ruf »Schämt euch! Schämt euch!« wenig Erfolg beschieden wäre. Denn wann hat man je gehört, daß sich ein Journalist geschämt hätte für eine »gute Story« — und wäre sie noch so erstunken und erlogen gewesen?!

Wer an das Schamgefühl von Journalisten appelliert, der könnte genausogut Huren die Tugend der Keuschheit, Politikern edlen Gemeinsinn, oder Investmentbankern Bescheidenheit ans Herz legen ...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ihre implizite Darstellung, wonach in den USA Staatsanwälte auch Entlastendes zu recherchieren oder gar weiterzuverfolgen hätten, halte ich für unzutreffend.

Die sonstige Richtigkeit und Angebrachtheit Ihres Kommentars soll das aber nicht in Abrede stellen.