Samstag, 31. Juli 2010

Wer verhöhnt wen?

Die Medien sind sich einig: Eva Herman verhöhnt die Opfer von Duisburg. Und zwar durch ihre Andeutung, daß die Ereignisse dortselbst möglicherweise durch ein Eingreifen höherer Mächte verursacht worden wären. Man kann nun (und ich will nicht verhehlen, daß ich mich dieser Ansicht anschließe) einen solchen »Eingriff höherer Mächte« als einigermaßen unnötige, ja falsche Hilfshypothese bezeichnen: bei soviel Unfähigkeit und Gigantomanie in Planung und Organisation, bei soviel hirnloser Bescheuertheit (© Karl Eduards Kanal) bei den Teilnehmern dieser »geilsten Megaparty der Welt« brauchen höhere Mächte eigentlich nicht einzugreifen — vielmehr könnte man an ein regelmäßiges Eingreifen derselben zugunsten der letzten, ähnlich unfähig geplanten und hirnlos konsumierten »Loveparades«, die aber ohne Tote abliefen, vermuten.

Nun bin ich aus ganz prinzipiellen Gründen dagegen, leichthin »höhere Mächte« für etwas verantwortlich zu machen, was Menschen ähnlich gut und ähnlich schlecht in Eigenregie zusammenzuschustern vermögen. Höhere Mächte, geschätzte Frau Herman, heben wir uns zweckmäßigerweise für Meteoriteneinschläge, Erdbeben und Tsunamis auf — und selbst dort ist ihr Herbeizitieren geeignet, bei der säkularisierten Bevölkerung unserer Breiten eher Befremden als Bußgesinnung auszulösen ...

Was aber andererseits das Argument sämtlicher Systemmedien nicht besser macht, Eva Herman habe mit dieser Aussage »die Opfer von Duisburg verhöhnt«. Denn das hätte sie wohl dann, wenn sie beispielsweise geäußert hätte, daß es den einundzwanzig Toten schon rechtgeschehen sei, und außerdem wäre es um Menschen, die solche Veranstaltungen besuchten, ohnehin nicht schade. Hat sie aber nicht!

Sie hat die Toten und ihre Hinterbliebenen bedauert — bloß die Veranstaltung, bei der sie starben, verurteilt. Ist das etwa »Verhöhnung«? Wer das bejaht, der müßte auch im Umstand, daß beispielsweise der Zweite Weltkrieg als schreckliche Verirrung der Menschheit bezeichnet wird, ebenso eine »Verhöhnung der Opfer« erblicken. Wer den Börsencrash von 2008 als Produkt korrumpierter Finanzmärkte bezeichnet, verhielte demnach ebenso. Was freilich wohl niemand ernstlich behaupten würde.

Wenn Eva Herman jemanden verhöhnt haben kann, dann vielleicht die von ihr zitierten »höheren Mächte«, die möglicherweise mit dieser ihrer Ursachenzuweisung überhaupt nicht einverstanden sind. Man kann sich schon vorstellen, daß der HErr höchstselbst die höher-mächtige Verantwortung für einen Eintrittsengpaß, der von den Organisatoren und Behörden nonchalant unter den Teppich gekehrt wurde, ebensowenig übernehmen möchte, wie für den Alkohol- & Drogenkonsum (oder auch bloß den schlichten Lemmingstrieb) der Teilnehmer. Als religiös feinfühliger Mensch kann man daher der Meinung sein, Eva Herman habe mit ihrer voreiligen Ursachenzuweisung den HErrn beleidigt. Nur ist es schwerlich denkbar, daß das in den Systemmedien irgendwen nennenswert kratzt (und auf jeden Fall nicht zu Schlagzeilen veranlaßt).

Der Verdacht liegt nahe, daß man also mit dem Hinprügeln auf Eva Herman bloß ablenken möchte. Der für ebenso aufgeregte wie informationsarme Börsenberichterstattung beliebte Sender n-tv lief zu Hochform auf und bewertete Eva Herman unter einem Kurs von € 0,01 (da sie bekanntlich nur dann einen Euro wert sei, wenn sie einen Supermarktwagen mit sich führe. Bruhaha ...), und was dergleichen Nettigkeiten mehr sind. Der Beitrag wurde zwar innerhalb weniger Stunden wieder vom Netz genommen, aber zeigt doch recht deutlich: hier wird nach der alten Methode: »Haltet den Dieb!« Aufmerksamkeit auf Nebenfronten gelenkt, damit nur ja keiner die tatsächlichen Fragen zu stellen beginnt. Derer es ja genug gäbe — nur halt keine, die das Polit- & Medienestablishment vernehmen möchte, weil es darauf keine Antwort hat (oder wenigstens keine ehrliche, die unsere Herrscherkaste ohne Volksaufstand überleben würde).

Eva Herman kann ich freilich den Vorwurf nicht ersparen, daß sie, statt die wirklichen Fragen zu formulieren und vorzulegen, voreilig »höhere Mächte« bemüht hat, und so den Gegnern den Elf-Meter in ihr Tor quasi aufgelegt hat. Doch wiegt dieser Vorwurf keineswegs gleich dem, der ihren Gegnern zu machen ist, die in Kenntnis der wahren Probleme giftige Nebelbomben warfen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Auch ich konnte im Originalartikel keine „Verhöhnung der Opfer“ entdecken; Herman hat mit ihrem in Summe zutreffenden Aufsatz aber wohl einen Nerv der PC berührt, und getroffene Hunde bellen eben. Übrigens: Von „höheren“ Mächten ist im Artikel keine Rede, sondern von „anderen“! Natürlich auch nicht von Strafe Gottes o. ä. Interessant ein Kommentar in http://kath.net/detail.php?id=27521, der „höllische“ Mächte vermutet. Abgesehen davon, danke, Frau Herman, danke, Le Penseur! Carolus